Diakonie Sachsen warnt vor sozialen Folgen der digitalen Umstellung in Jobcentern
Die Diakonie Sachsen beobachtet mit wachsender Sorge die digitale Umstellung in den Jobcentern. Zwar bietet die Digitalisierung der Verwaltung viele Chancen, doch droht sie sozial benachteiligte Menschen zunehmend vom Zugang zu wichtigen Leistungen auszuschließen. „Wir begrüßen die Modernisierung der Verwaltung, wenn sie tatsächlich zu mehr Effizienz und Transparenz führt“, sagt Dietrich Bauer, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Sachsen. „Die Möglichkeit, Unterlagen automatisiert zu bestätigen und jederzeit abrufen zu können, ist ein echter Fortschritt – zumindest auf dem Papier. Doch in der Realität scheitern viele Hilfesuchende bereits an der ersten Hürde, nämlich der Anmeldung und Registrierung für die digitalen Portale.“
Beratungsstellen kompensieren Systemlücken
Mitarbeitende aus diakonischen Beratungsstellen wie der Erwerbslosenarbeit und der Migrationsberatung berichten, dass die Online-Zugänge für viele Klientinnen und Klienten nicht ohne Unterstützung zu bewältigen sind. Der Zugang zu den Systemen ist oft komplex und in vielen Fällen ist selbst für die Fachkräfte kein technischer Support erreichbar.
Besonders betroffen sind Menschen, die weder über geeignete digitale Endgeräte noch über ausreichende Kenntnisse im Umgang mit den Apps noch über eine notwendige E-Mail-Adresse verfügen. Auch sprachliche Hürden oder fehlende finanzielle Mittel führen dazu, dass sie die ihnen zustehenden Leistungen nicht ohne Weiteres beantragen können. „Diese Menschen wenden sich dann an unsere Beratungsstellen in Chemnitz, Döbeln, Freiberg und Mittweida“, berichtet Romy Richter, stellvertretende Geschäftsführerin vom Netz-Werk e.V. Mittweida. „Dort erleben wir nicht nur die technischen Probleme der Plattformen, wie etwa der Jobcenter-App, sondern auch, wie sehr sich die sozialen Unterschiede durch die Digitalisierung weiter verschärfen.“
„Viele Hilfesuchenden können die App auch aufgrund mangelnden Guthabens oder Stromabschaltungen nicht nutzen“, erklärt Marcus König, Teamleiter der Jugendberatungsstelle Kompass A des Diakonischen Beratungszentrums Vogtland. „Allein in unseren Beratungszentren in Auerbach, Oelsnitz und Plauen suchen monatlich zahlreiche Menschen Hilfe bei der Antragstellung oder dem Nachreichen von Unterlagen. Oft geschieht das im Rahmen anderer Beratungsangebote – etwa der Sucht-, Familien- oder Jugendhilfe – und beansprucht zwischen fünfzehn und sechzig Minuten.“
Die Beratenden übernehmen damit Aufgaben, die eigentlich von den zuständigen Behörden geleistet werden müssen. Dafür fehlen die zeitlichen, personellen und finanziellen Ressourcen.
Diakonie fordert sozial gerechte Digitalisierung
Die Diakonie Sachsen fordert daher, die digitale Transformation im Sozialbereich so zu gestalten, dass niemand zurückgelassen wird und die hochfrequentierten Beratungsstellen nicht weiter überlastet werden. „Digitalisierung ist kein Selbstzweck“, betont Dietrich Bauer. „Sie kann das Leben vieler Menschen erleichtern – aber nur dann, wenn sie verständlich, leicht zugänglich und begleitend umgesetzt wird. Behörden müssen hier deutlich mehr Verantwortung übernehmen. Die Menschen brauchen Informationen, Unterstützung und Wahlmöglichkeiten – nicht zusätzliche Hürden.“
Diakonie Sachsen
Die Diakonie ist der soziale Dienst der evangelischen Kirche. In Sachsen sind mehr als 27.000 hauptamtliche Mitarbeitende in rund 2.000 ambulanten und stationären Diensten der Diakonie wie Pflegeheimen und Sozialstationen, Werkstätten für Menschen mit Behinderungen, Beratungsstellen und Kindertagesstätten beschäftigt. Die Geschäftsstelle der Diakonie Sachsen mit Sitz in Radebeul vertritt die Interessen ihrer 257 Mitglieder und sorgt für eine Weiterentwicklung evangelischer Sozialarbeit.
