Mehr unabhängige Beratung bei Erwerbslosigkeit und prekärer Beschäftigung würde das Vertrauen in den Rechtsstaat stärken!
Trotz guter Konjunktur und niedrigen Arbeitslosenzahlen (102.848; Stand Juni 2018) gibt es in Sachsen weiterhin hohen Bedarf an unabhängiger Beratung bei Arbeitslosigkeit und Leistungsbezug. Denn trotz Erwerbstätigkeit sind in Sachsen viele auf einen ergänzenden ALG-II-Bezug angewiesen (64.693), sei es, weil die neuen Jobs nicht angemessen entlohnt werden oder die Stundenzahl gering ist. Beide Zahlen sind rückläufig, aber mit einer Quote von 29 % Erwerbstätiger im Leistungsbezug an allen Leistungsberechtigten ist Sachsen weiterhin Spitzenreiter in Deutschland.
„Diakonische Erwerbslosenberatung ist unabhängig und nimmt den ganzen Menschen in den Blick: Nicht nur seine wirtschaftliche Situation und seine Probleme mit dem Jobcenter oder Arbeitsagentur können dort angstfrei besprochen werden, sondern auch seine gesundheitliche und familiäre Situation“, beschreibt Hans-Jürgen Meurer, zuständiger Referent, die Arbeit der Beratungsstellen der Diakonie Sachsen. Leistungsbescheide, Anträge, Sanktionen würden erklärt, Missverständnisse und Konflikte entschärft und geschlichtet, Unterstützungsangebote vermittelt, Lebensperspektiven erarbeitet. 64 % aller Beratungsgespräche würden sich genau darum drehen. Dass die Anzahl der Beratungen konstant bleibt (2016: 894 Fälle mit 2539 Beratungen; 2017: 914 Fälle mit 2509 Beratungen), zeigt den Bedarf. Wie die aktuelle Statistik ausweist, hat sich der Anteil zu Rechtsfragen (2016: 9 %, 2017: 17 %) stark erhöht, was angesichts des immer komplexer werdenden Leistungsrechts nicht verwundert.
Die diakonische Erwerbslosenberatung ist damit nicht nur eine notwendige Ergänzung zu den Angeboten der Jobcenter. „Recht betrachtet, kommt eine unabhängige Beratung auch den Jobcentern zu gute. Weil sie Situationen klärt, Verhältnisse stabilisiert und die Mitarbeitenden des Jobcenters entlastet“, ist sich Meurer sicher. Seit langem fordert die Diakonie daher eine Förderung der Erwerbslosenberatung durch das Land und einen bedarfsgerechten Ausbau – mindestens eine Beratungsstelle pro Landkreis und kreisfreier Stadt. „Das Leistungsrecht im SGB II wird mit jeder Novellierung komplexer und eine Beratung erfordert hohe Professionalität – und das kostet Geld. Der Verweis, dass die Jobcenter ja selbst auch beraten, ist nicht zielführend, da sich die Klienten dort in einem Abhängigkeitsverhältnis und sogar häufig im Konflikt mit dem Jobcenter befinden. Hier hilft nur unabhängige Beratung weiter, die Existenzängste abbaut, bei der Durchsetzung gesetzlicher Ansprüche unterstützt, aber auch Verständnis für die Arbeit der Jobcenter fördert und Konflikte entschärft.“
Eine öffentliche Förderung dieses Angebotes entlaste mittelfristig Verwaltung und Sozialsysteme. „Ein zusätzlicher Effekt, der gerade in diesen Zeiten wichtig ist: Der Freistaat hätte hier die Möglichkeit, unzufriedenen Bürgern die Vorteile von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit näher zu bringen!“
Fehlende öffentliche Förderung führte zur Einschränkung von Angeboten. „Es ist unverständlich, warum der Freistaat sich diese Möglichkeit zur sozialen Integration nicht zu eigen macht. Andere Bundesländer sind da weiter.“ Als Beispiel nennt Meurer das Landesprogramm „Neue Chancen am Arbeitsmarkt“ in Baden-Württemberg. Es bietet Menschen Hilfestellungen an, die trotz der guten Konjunktur bisher Schwierigkeiten haben, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen und fördert dazu auch zwölf unabhängige Arbeitslosenberatungszentren, die mit den Jobcentern kooperieren sollen. „Diese Zentren leisten einen wichtigen Beitrag zur sozialen Integration und werden von den Jobcentern als wichtige Ergänzung ihres eigenen Angebots gesehen!“

Quelle: Pressemitteilung Diakonisches Werk der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens e.V.
Weitere Informationen: Hans-Jürgen Meurer, Tel.: 0351/8315-172.